Lot 113
Mikuláš Medek (1926 - 1974) AKTION I (EI)

1955-1956
Ei-Tempera, Öl auf Leinwand
116 x 93 cm (h x b)
Unten rechts signiert mit „I.X.1955 - 10.II.1956 - MEDEK“

Rufpreis
8 000 000 CZK
   |   313 725 EUR
Erzielter Preis
46 000 000 CZK
   |   1 803 922 EUR
preis ohne Aufpreis

Mikuláš Medek nimmt Dank seinem originellen Ausdruck, der tiefsinnigen Zeit und der ungewöhnlichen Spiritualität seines Werkes in der tschechischen Kunstgeschichte der Nachkriegszeit einen der ersten Plätze ein. Seine künstlerische Unabhängigkeit und das geistigen Maß bewies er auch in der Zeit des kommunistischen Regimes, also in der Zeit, die der modernen Kunst und dem freien Denken höchst unfreundlich gegenüber stand.
Der einer bekannten Künstler- und intellektuellen Familie (Enkel von Antonín Slavíček, Sohn des Generals und Schriftstellers Rudolf Medek und Bruder von Ivan Medek) entstammende Maler, Illustrator und Autor von Texten studierte an der Staatlichen Graphikerschule. An der Prager Akademie der bildenden Künste war er Schüler von Vlastimil Rada und studierte auch an der Kunstgewerbehochschule im Atelier von František Muzika und František Tichy. 1949 wurde er vom weiteren Studium ausgeschlossen. Er beteiligte sich an den Aktivitäten des surrealistischen Kreises (Teige, Effenberger, Fára, Istler, Tikal) und war am Aufbau von Kunstsammlungen beteiligt, durfte sich aber beruflich nicht der Kunst widmen. Anfänglich von der surrealistischen Gruppe beeinflusst, war er später einer der führenden Vertreter der informellen und nicht figurativen Malerei. Er schuf zahlreicher Werke für Kirchen in Südmähren (Jedovnice, Senetářov, Kotvrdovice) und die internationalen Büros der damaligen staatlichen tschechoslowakischen Fluggesellschaft (in Paris, New York, Damaskus,Prag-Ruzyně usw.). Seine Bilder sind in staatlichen und privaten Sammlungen auf der ganzen Welt vertreten. Seine Arbeit ist weitgehend mit der fotografischen Arbeit seiner Frau Emila Medková verwoben.
Die kontextuelle Stichhaltigkeit, die magische Kraft seines Malstils und die geistige Energie, die aus Medeks Werk ausgehen, sowie seine Botschaft an die jüngere Generation machen Medek zu einem der bedeutendsten und originellsten Künstler, nicht nur auf der tschechischen, sondern der gesamten Welt der Malerei in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Medeks Arbeiten sind in einer Reihe von tschechischen und internationalen öffentlichen Institutionen sowie in privaten Sammlungen vertreten.
Die Alleinausstellung der Werke dieses Künstlers fand 2002 im Prager Rudolfinum und in der Aula der Prager Akademie der bildenden Künste statt. Die Prager Nationalgalerie bereitet für das kommende Jahr eine große Medek-Ausstellung vor. In jedem seiner frühen Bilder befasste sich Medek mit neuen, tiefgreifenden, fast lebensbedrohlichen Problemen und setzt dabei den Stil des Vorkriegs-Surrealismus fort. Dabei half ihm die äußerst präzise Beschreibung der abgebildeten Objekte und das narrative Merkmal, das die emotionale Wirkung auf den Betrachter hervorhebt. So schafft er einen imaginativen Raum und entwickelt das populäre mittelalterliche Konzept des sogenannten Bildes im Bild.
Er baut seine Komposition aus mehreren scheinbar eigenständigen Objekten auf, die auf verschiedenen Ereignissen aufbauen, welche er gelegentlich mit seiner Frau Emila umsetzte, und die den physischen Zustand und die psychoanalytischen Überlegungen des Künstlers widerspiegeln. Er stellte die Charaktere in einen leeren, engen Raum, der mit konvergierenden Linien perspektivisch abgegrenzt war. Er kreierte seinen eigenen Stil von manieristischen Marionettenfiguren mit präzisen Umrissen. Die Deformation des ursprünglichen konkreten Modells war bei ihm mit dem Gefühl von fieberhaften Halluzinationen verbunden, bei denen sich die Hände verlängern und sich die Köpfe mit zu flachen Stacheln stilisierten Haaren vergrößern.
Für Medek gab es nur zwei absolute Farben Blau und Rot: „Farben sind perfekt, wenn sie aus Metall gemacht sind – Blau aus Eisen und Silber, Rot aus Gold.“
Im Jahr 1955 begann er, an seinem Bilderzyklus Aktion zu arbeiten, aus einem größeren Zyklus von Gemälden mit dem zusammenfassenden Titel Nackt im Dornenbusch, über den Ludmila Vachtová im folgenden Jahr in der Zeitschrift Tvar einen Artikel veröffentlicht, dessen Text die erste veröffentlichte Information über Medeks Werk ist:
„Heute geht es darum, den Konflikt auszudrücken, der durch die Einbeziehung des heutigen Menschen in die Welt entstanden ist, um die Schaffung der heutigen Mythologie, die stellenweise noch krampfhaft ist, und zur Symbolik heranwächst, aber  bereits ihre Dringlichkeit hat. Diese Symbolik ist kein Vorwand, sondern das Ergebnis eines neuen Blicks auf die gewöhnlichsten Tätigkeiten, die im Leben am stärksten mechanisiert und zu einem Stereotyp geworden sind. Indem der Maler Konflikte in ihnen entdeckt, erhalten sie die Kraft, Mythen zu werden. Seine Sichtweise mag man als eng und einseitig empfinden, seine Existenzberechtigung kann ihm aber nicht abgesprochen werden. Spricht man nämlich vom Menschen, der Welt und dem Leben, so lässt sich die Angst des Menschen, die Angst vor Dingen, Situationen und Beziehungen, die ihn umgeben, nicht selten quasi begraben, nicht ausgrenzen.
„Damals habe ich den Figuren einen existenziellen Sinn gegeben. Die Frau schlägt ein Ei auf. Im Grunde genommen, eine alltägliche Situation. Mir ging es dabei jedoch um das Symbol, und auch um seine Zerbrechlichkeit. Ich habe diese Alltäglichkeit als Grenzsituation verstanden. Andere ähnliche Grenzmomente waren für mich: Bankrott, Streit, Kuss. Ich habe versucht, ihre Bedeutung zu finden. Ich habe sie auf Zeichen in einer bestimmten Welt reduziert.“ Nachfolgend geht es in der Aktion mit dem Ei um das Einfangen einer extremen psychologischen Belastungssituation, die durch eine lapidare Alltagshandlung hervorgerufen wurde – das Trennen von Eiweiß und Eigelb. Und diese vorrangige Bedeutung des Bildgeschehens wird durch weitere Parabeln bereichert: das Ei – als Symbol des Lebens und der Zeugung, das Aufschlagen des Eies – steht für die Zerstörung des Lebens, das Töten, die Trennung des Keims von der Nährsubstanz. Das Motiv Nackt im Dornenbusch ist dann nur eine extreme Situation menschlicher Anspannung und eine Grenzform der Bedrohung, die sich als „elektrischer Schlag“ zwischen zerrissenen Muscheln manifestiert.
Zeichnung zu dem Bild: Aktion I (Ei), 1955, Kohle, Verpackungspapier, 1140 × 780 mm, Olmütz, Kunstmuseum, Inv.-Nr. Km14636.
Ausgestellt: I. Ausstellung zeitgenössischer tschechischer bildender Künstler, Prag, Philosophische Fakultät der Karlsuniversität 1958, Kat.-Nr. 23 | Mikuláš Medek: Obrazy 1947–1965 [Bilder aus 1947–1965], Prag, Galerie Nová síň 1965, Kat.-Nr. 5 | angeführt im Katalog zur Ausstellung Mikuláš Medek, Königgrätz (Hradec Králové), Regionalgalerie 1969, Kat.-Nr. 23, nicht ausgestellt | Mikuláš Medek: Souborné malířské dílo, Brünn, Kulturhaus der Stadt Brünn – Städtische Bibliothek Prag 1990, nicht im Katalog erwähnt, ausgestellt in Prag.
Reproduziert in: Tvar, Jg. 8, Nr. 9, 1956, S. 281, Abb. 775 | Svobodné slovo, 22. 3. 1958 Výtvarná práce, Jg. 13, Nr. 8, 17. 5. 1965, S. 5 | Mikuláš Medek: Obrazy 1947–1965 (Bilder aus 1947-1965) Verband der tschechoslowakischen Künstler 1965, Kat.-Nr. 5 | Mikuláš Medek, Regionalgalerie und Kunstzentrum in Königgrätz sowie Kunstzentrum Prag 1969, Kat.-Nr. 23 | Bohumír Mráz: Mikuláš Medek, Obelisk, Prag 1970, Abb. 28, Reproduktion in Farbe | Mikuláš Medek: Souborné malířské dílo, Kunsthaus der Stadt Brünn 1990, reproduziert b&w | BOX, Nr. 3, Januar 1993, Einband-Rückseite, auf der Einband-Vorderseite gespiegelte Inversion | Mikuláš Medek: Texty, Torst 1995, S. 280, reproduziert b&w | Umění, Jg. 45, Nr. 5, 1997, S. 489–500 | Mikuláš Medek, Gema Art, Prag 2002, S. 43 | Analogon, Nr. 38–39, 2003, S. 25.