Lot 94
DER GEKREUZIGTE JESUS
um 1900
Lindenholz, polychromiert
71,5 x 49 cm (h x b)
Inschrift: „Bože můj, proč jsi mne opustil…Žízním…Dokonáno jest a Otče odpusť jim – nevědí, co činí.“ (Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen.... mich dürstet ....Es ist vollbracht! und Herr, vergib ihnen – denn sie wissen nicht, was sie tun.)
| 7 200 EUR
| 9 600 EUR
Der gekreuzigte Jesus - Bílek verarbeitete die atemberaubende religiöse Szene aus Golgatha als symbolisches Bild der Erlösung und Hingabe. Bei ihm ist Christus nicht direkt am Kreuz, sonder auf Balken gekreuzigt, die mit Seilen befestigt sind. Der Autor erweckt den Eindruck eines tatsächlichen Erlösungs-Mementos. Wie Vilém Nečas in seinem Buch „Bílek. Svědectví o bratru Františkovi“ schreibt: „Es ist der Baum des Lebens, das heilige Holz des Erlösers, das Kreuz des Triumphs! Auf ihm rutscht der Leib Christi in der betäubenden, aufgeblähten ,hilflosen Agonie des Todes nicht, wie bei normalen Kreuzen, herab, es ist kein furchterregendes Stück Fleisch und Knochen, das schauerhafte Nägel vor dem Herabfallen bewahren – es ist stärker als das Gesetz der Masse und die Schwerkraft“
Der Körper ist gerade, mit geöffneten Armen und einem Gesicht, das zwar von Schmerz und Bluttropfen gezeichnet ist, sein Schicksal jedoch in entspannter Kontemplation akzeptiert. Vielleicht hat der Autor den Moment festgehalten, in dem die Seele Christi die materielle Welt nicht mehr wahrnimmt und sich in die nicht greifbare Welt erhebt. František Bílek lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters meisterhaft vom Leidensakt ab und direkt auf das Wesentliche der Handlung und die Symbolik der Kreuzigung Christi. Die geistliche Überschneidung von František Bíleks Werken ist für den heutigen Betrachter nur schwer fassbar. Gebete zu Gott gehörten zu seinem Alltag und die Heilige Schrift lag immer aufgeschlagen auf dem Tisch. Zu seiner Zeit wurde er oft kritisiert, so beispielsweise von Professor Myslbek: „Dafür mussten Sie aber nicht nach Paris gehen! Wie wollen Sie einmal Frau und Kinder ernähren?“ Der französischen Bildhauer Antoine Bourdell bezeichnete Bíleks Werk als ursprünglich, ohne jeglichen Ansatz einer Kopie. 1909 wurde er Mitglied des Künstlerischen Vereins Umělecká beseda (UB), 1913 stellte er erstmals mit UB gemeinsam aus. Dieser vielseitig talentierte Künstler widmete sich auch der Grafik und versah seine Werke oft mit Texten in einer von ihm selbst entworfenen Schriftart. Eine Variante dieses Kreuzes aus patinierter Keramik befindet sich, mit der Inventarnummer P - 1483, in der Prager Stadtgalerie. Literaturverweis: Nečas V., Bílek: Svědectví o bratru Františkovi, 2016.
Prof. PhDr. Petr Wittlich, CSc. verfasste ein Gutachten zu diesem Werk.