Lot 144
SITZENDER AKT IN EINEM SESSEL
1936
Gebrannter Ton
37 cm (h)
An der Unterseite gekennzeichnet mit ‚1936 Zívr Ladislav‘
| 4 800 EUR
| 4 800 EUR
Ladislav Zívr verbrachte seine Freizeit von frühester Kindheit an in der väterlichen Töpferei. So ist es auch nicht verwunderlich, dass gebrannter Ton sein Lieblingsmedium wurde. In Zeiten surrealistischer Arbeit tauchen auf einmal ganz konkrete Figuren und Porträtskulpturen aus der Traumwelt auf, die überhaupt nicht in das Genre passten. Diese Figuren erzeugen keine störenden Dramen, sie sind einfach nur sie selbst. Mit dem auf einem Stuhl sitzenden Mädchen verhält es sich ganz genauso – es verbirgt seine weiblichen Kurven nicht und sieht mit gönnerhaftem Gesichtsausdruck nach vorne. Es ist kein stilisierter, künstlich perfektionierter Akt mit einem Hauch von Pathos. Vielmehr handelt es sich um eine normale Städterin, die sich eher alltäglichen Dingen widmet. Und dennoch ist in Ihrem Ausdruck eine leichte Abwesenheit zu erkennen, etwas, das sie vor dem Betrachter verbirgt. Es ist diese Mischung aus unmittelbarer Präsenz und irgendwie mysteriöser Abwesenheit, die Zívrs realistischen Skulpturen gemein ist. Es sind die 1930er Jahre, die seinem von traumhafter surrealistischer Poesie geprägten Schaffen über einen zeitlichen Abstecher Stabilität und Beharrlichkeit bringen.
Ladislav Zívr studierte in den Jahren 1927/28 an der Staatlichen Keramik-Fachschule in Bechyně und von 1928 bis 1931 an der Kunstgewerbehochschule in Prag. Er wertete die Familientradition des Töpferhandwerks auf, arbeitete konzentriert und bewusst mit dem Material und war stark vom Werk Otto Gutfreunds beeinflusst, der sich in seinen Arbeiten in Elementen des Zivilismus und Kubismus wiederfand. In seinem Ausdruck bekannte er sich zu einfachen und vollständigen Formen. Vor Mitte der 1930er reihte er sich in die jüngste Generation der Prager Surrealisten ein und bezeichnete sein Werk selbst als „Schwärmerei“. Schrittweise floss in seine Werke die surrealistische Ästhetik zufälliger Begegnungen ein, er begann Materialien zu kombinieren und erfand die experimentelle Moulage-Technik für sich. In den Jahren 1942 – 1948 war er Mitglied der Gruppe 42.
Publ. Jaromír Typlt: Ladislav Zívr, 2013, Kat. 43.