Lot 80
RAMAJANA
180 x 115,5 cm (h x b)
| 352 941 EUR
| 549 020 EUR
Öl auf Leinwand. Unten links in lateinischen Buchstaben signiert mit: “Boris Grigoriev” Das exotische Thema in diesem Gemälde ist untypisch für Boris Grigorievs Werk; Indien hatte dieser Maler nämlich niemals besucht. Die Inspiration kam wahrscheinlich von seinem Freund Nicholas Roerich, einem Kollegen in der Kunstbewegung Mir Iskusstva, der durch Indien gereist war und die indische Kultur bewunderte. Wie aus dem Titel dieses Werkes hervorgeht, basiert es auf dem alten indischen Epos Ramayana, wobei sich der Künstler, der hauptsächlich als Figuren- und Porträtmaler bekannt war, besonders auf die weibliche Hauptfigur, Situ, konzentriert, die Verlobte des wichtigsten Helden Rama. Sie ist als Gesamtfigur dargestellt, in traditioneller indischer Kleidung, und spielt auf einer Veena, einem traditionellen Musikinstrument. Abgerundet wird die Komposition mit symbolischen Tieren (Affen, Kuh), mit zusätzlichen Bauernfiguren im Hintergrund und zwei Köpfen mit asiatischen Zügen an der Seite. Der Malstil entspricht Grigorievs gängigste Arbeitsstil: Das Gesicht ist sorgfältig ausgearbeitet, die Kraft ihres Ausdrucks konzentriert sich auf ihre durchdringenden, markanten Augen; der Rest der Figur ist dann freier gestaltet und der Rest der Komposition wird lediglich kaum lesbar angedeutet. Die Grundlagen dieser Methode finden sich einerseits in der russischen Ikonenmalerei und andererseits in der Kunstbewegung der Neuen Sachlichkeit. Das Gemälde war Mahatma Ghandi gewidmet und wurde 1932 erstmals in Prag im Rahmen der Kunstgruppenausstellung "Skify" gezeigt. Es scheint jedoch, dass die Widmung nur symbolisch gemeint war, denn der Künstler versuchte, das Werk unmittelbar nach der Ausstellung in Prag zu verkaufen. Der Verkauf kam nicht zustande und das Gemälde blieb in der Redaktion der deutschsprachigen Zeitung Prager Presse eingelagert. Erst viel später, im Jahr 1947, lange nach Grigorievs Tod, gelangte das Bild in Privatbesitz. Boris Grigoriev zählt zu den markantesten Persönlichkeiten der russischen Malerei in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er studierte an der Stroganov Kunstschule und an der Petersburger Akademie. Im Jahr 1913 setzte er sein Kunststudium während eines Aufenthalts in Paris fort. Er kehrte nach Russland zurück, verließ das Land aber mit samt seiner Familie nach der bolschewistischen Revolution und gelangte über Finnland nach Berlin, und von dort weiter nach Paris. Er ließ sich in Cagnes-sur-Mer nieder, wo er ein beliebter Porträtmaler wurde. Er stellte häufig aus und lehrte in Chile, New York und an seiner eigenen Privatschule in Frankreich. Dem Prager Publikum stellte er sich erstmals im Jahr 1926 mit einer Einzelausstellung bei Manes vor. Boris Grigorievs Werke befinden sich in den Sammlungen vieler Museen in ganz Russland, aber auch im Westen. Eines seiner bekanntesten Werke, ein monumentales Gemälde auf einem Wandschirm mit dem Titel "Gesichter der Welt" (1920-1931), das 1932 mit Ramayana gemeinsam in Prag ausgestellt wurde und ursprünglich dem Völkerbund gewidmet war, befindet sich heute in der Sammlung der Prager Nationalgalerie. Gutachten von PhDr. Anna Janistinova. Ausgestellt: Französisches Institut in Prag, Ausstellung slawischer Künstler (Skythove), 13. 3.–10. 4. 1932. Ref.: Katalog zur Ausstellung slawischer Künstler in Prag, 1932, Kat.-Nr. 12. Hauser, J., Eurasijstvi a skupina Skify 1930–1933. Diplomarbeit. Praha, Karlsuniversität, Institut für Kunstgeschichte, 2009. S. 41–47. Hauser, J., “Jsme Skythove, jsme Asiate my…” Eurasijstvi a umeni mezivalecne emigrace ze Sovetskeho svazu. ["Wir sind Skythen, wir sind Asiaten, wir.... " - Eurasianismus und die Kunst der Zwischenkriegsemigranten aus der Sowjetunion]. Sergej Mako a skupina Skify [: Sergei Mako und die Gruppe Skify]. In: Umeni LVII (2009)/2, S. 172–184. Galeeva, T., Kostina, D., Russian Emigre Artists Boris Grigoriev and Grigory Musatov and 1920s–1930s Prague: Between “Russian Exoticism” and Western Modernism. In: Centropa 2013. S. 227–234. Herkunft: Privatsammlung in Tschechien, erhalten im Jahr 1947. Versteigert bi Sotheby‘s in London, 2015.